Klimaeffekte der Digitalisierung
18.03.2021
18.03.2021
Bis zum Jahr 2030 muss Deutschland seinen Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen (CO2-Äquivalent, CO2e) um fast die Hälfte reduzieren. Nur so lässt sich die Zielvorgabe des Pariser Klimaschutzabkommens erreichen. Ein ambitioniertes Ziel – schließlich hat die Industrienation in den letzten Jahrzehnten längst wichtige Senkungspotenziale erschlossen, aber noch immer einen weiten Weg vor sich (siehe Abbildung 1).
In den bisherigen Maßnahmenplanungen blieben die positiven Klimaeffekte der Digitalisierung allerdings weitgehend außen vor. Mit der vorliegenden Studie zeigt Bitkom nun: Gerade digitale Technologien können erheblich zum Klimaschutz beitragen. Unter den richtigen Rahmenbedingungen.
Abbildung 1: Verursachte und geplante CO2e-Emissionen in Deutschland
Im Rahmen der Studie, die Accenture im Auftrag des Bitkom durchgeführt hat, werden zwei gegenläufige Klimaeffekte der Digitalisierung untersucht: das CO2e-Einsparpotenzial, das mit digitalen Technologien im Jahr 2030 erzielt werden kann und die Emissionen, die im Jahr 2030 durch die digitale Infrastruktur verursacht werden (CO2e-Fußabdruck).
Die Ergebnisse sind eindeutig:
Digitale Technologien können ein wesentlicher Hebel für die Erreichung des Klimaziels 2030 sein. Das konkrete Potenzial offenbaren die folgenden Zahlen.
5-6x
Im Jahr 2030 können digitale Technologien 5-6x so viele Emissionen einsparen, wie sie selbst erzeugen.
28-41%
Zwischen 28 und 41 % der bis 2030 nötigen CO2e-Einsparungen ließen sich durch digitale Technologien erzielen.
>50%
Mehr als die Hälfte der durch die Digitalisierung möglichen Einsparungen lässt sich in der industriellen Fertigung und im Verkehrswesen erreichen.
23-34%
Das Netto-Einsparpotenzial digitaler Technologien (CO2e-Reduktion minus Fußabdruck) beträgt bis zu 34% der Vorgaben für 2030.
Für den weiteren Verlauf der Digitalisierung betrachten wir in der Studie zwei verschiedene Szenarien. Das moderate Szenario geht davon aus, dass sich die Marktdurchdringung digitaler Technologien linear so weiterentwickelt wie bisher. Das beschleunigte Szenario orientiert sich hingegen an der Annahme, die Marktdurchdringung würde in Deutschland künftig so verlaufen wie in Ländern mit vergleichbaren wirtschaftlichen und politischen Strukturen, die derzeit beim Einsatz einer oder mehrerer digitaler Technologien führend sind.
In beiden Fällen sind die theoretisch möglichen CO2e-Einsparungen enorm (siehe Abbildung 2) – und zwar auch dann noch, wenn man den CO2e-Fußabdruck der digitalen Technologien einberechnet. Für das Erreichen des Klimaziels 2030 ist die Digitalisierung damit von entscheidender Bedeutung.
Abbildung 2: CO2e-Einsparpotenzial und Fußabdruck digitaler Technologien
„Mit der Digitalisierung verfügen wir über einen extrem starken Hebel, um die Emissionen schnell und effektiv zu senken.“
Die Studie untersucht sieben Anwendungsbereiche, in denen digitale Technologien bestehende Produktions- und Konsummuster so verändern können, dass die Effizienz erheblich steigt (siehe Abbildung 3).
Allein durch die Digitalisierung in der industriellen Fertigung und bei Mobilität/Verkehr könnten zusammen zwischen 52 und 89 Megatonnen CO2e eingespart werden. Das entspricht 14 bis 24% des gesamten Klimaziels.
In der industriellen Fertigung liegen die Chancen beispielsweise in der flächendeckenden Nutzung digitaler Zwillinge, die zu einer höheren Produktionsqualität führen und damit die Durchlaufzeiten und den Ressourceneinsatz senken kann. Aber auch in der Automatisierung der Produktion steckt noch großes ungenutztes Potenzial – oder in der Materialvermeidung durch digitales Prototyping. Die Liste ließe sich fortsetzen. In puncto Mobilität sind vor allem eine intelligentere Logistik und Verkehrssteuerung wesentliche Treiber zur Emissionssenkung.
Abbildung 3: CO2e-Einsparpotenziale durch Digitalisierung in sieben Bereichen
Aussagekräftig sind derartige Erhebungen nur dann, wenn das Emissionssenkungspotenzial dem eigentlichen CO2e-Fußabdruck der digitalen Technologien gegenübergestellt wird. Die Berechnung des Fußabdrucks basiert auf dem Energieverbrauch durch die Produktion und Verwendung von digitalen Endgeräten (darunter IoT-Sensoren) sowie der Nutzung von Rechenzentren und Kommunikationsnetzen. Hier tragen vor allem die deutlich zunehmende Verbreitung der Endgeräte zu den Emissionen bei. Wie die Studie unterstreicht, ist das Einsparpotenzial jedoch deutlich größer als die durch die Technologien selbst verursachten Emissionen (siehe Abbildung 4). Das Argument des Fußabdrucks sollte einer schnellen, konsequenten Digitalisierung also keinesfalls entgegenstehen.
Abbildung 4: CO2e-Fußabdruck digitaler Infrastruktur
Das in der Studie ermittelte Netto-Einsparpotenzial basiert auf realistischen Berechnungen und Markteinschätzungen. Bei der Bewertung lassen sich aber nicht alle Effekte der Digitalisierung berücksichtigen. Insbesondere kommen bei Energieeffizienzmaßnahmen generell sogenannte Rebound-Effekte zum Tragen.
Ein Beispiel zeigt sich bei der Entwicklung von Fahrzeugen:
Die tatsächliche Einsparung ist somit geringer als die ermittelte. Je nach Branche, Region, Technologie und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wirkt sich der Rebound-Effekt unterschiedlich stark aus, ist aber kaum verlässlich zu ermitteln. Dennoch: Selbst bei pessimistischer Betrachtungsweise (maximaler Rebound-Effekt) bleibt das CO2e-Einsparpotenzial der Digitalisierung signifikant.
Klar ist zudem: