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STUDIE

Innovation oder Rückschritt

Europäische Unternehmen müssen die Technologielücke schließen, um den Kurs zu ändern.

Lesezeit 3 Minuten

In Kürze

  • Unsere Studie „Accelerating Europe’s path to reinvention“ zeigt: Unternehmen nutzen Technologie nicht ausreichend, um Wert und Wachstum zu steigern.
  • Um die Technologielücke in Europa zu schließen, sind gezielte Maßnahmen in mehreren Bereichen erforderlich.
  • Diese Maßnahmen werden Chancen eröffnen und europäische Unternehmen in Schlüsselindustrien zurück an die Spitze bringen.

Die Technologielücke schließen: Europa erwartet eine Wachstumsdividende

Unsere Studie „Accelerating Europe’s Path to Reinvention“ vom Januar 2023 zeigt, wie – und warum – europäische Unternehmen beim Umsatzwachstum hinter dem nordamerikanischen (NA) und asiatisch-pazifischen (APAC) Wettbewerb zurückbleiben. Ein Faktor, der die Wachstumsaussichten europäischer Unternehmen beeinträchtigt, ist demnach die unzureichende Nutzung von Technologie. Wir nennen das „Technologielücke“.

Unsere jüngste Analyse zeigt zwar, dass sich die Prognosen für das Umsatzwachstum in Europa verbessern. Sie bestätigt aber auch, dass die Technologielücke weiterhin existiert und langfristig das Risiko, zu einem relativ schwachen Wirtschaftswachstum zurückzukehren, besteht.

Was ist die Technologielücke?

Wir beschreiben mit dem Begriff „Technologielücke“ das Ungleichgewicht bei der Einführung, Umsetzung und effektiven Nutzung von innovativen, aber auch etablierten Technologien zur Wertgenerierung.

Dabei geht es nicht nur um die Höhe der Technologieinvestitionen, sondern auch um Führungsqualitäten, Kompetenzen, die Verbreitung digitaler Geschäftsmodelle und die Fähigkeit der Unternehmen, aus Technologie tatsächlich Mehrwert zu schaffen.

Die Technologielücke schließen

Unternehmen, die sich mithilfe eines digitalen Kerns völlig neu erfinden, werden einen erheblichen Wettbewerbsvorteil erlangen. Die potenziellen Vorteile für europäische Unternehmen sind beträchtlich: Sie belaufen sich bis Ende 2024 auf rund 3 Billionen Euro an zusätzlichen Einnahmen.

Nicht nur Technologieunternehmen werden davon profitieren. Die größten Chancen bieten sich Branchen wie dem Einzelhandel, den Biowissenschaften, dem Mobilitätssektor und dem Versicherungswesen. Dort kann Technologie dazu beitragen, neue Einnahmequellen zu erschließen – durch innovativere Produkte und Dienstleistungen sowie europaweit effizientere Prozesse.

Europa befindet sich in einer einzigartigen Position. Es verfügt über eine außergewöhnliche Vielfalt, ein reiches Mosaik von Kulturen und eine stabile politische Landschaft. Darüber hinaus profitieren die hiesigen Unternehmen von den Synergien, dem wirtschaftlichen Zusammenhalt und der Einheit des EU-Binnenmarkts. Jede Wachstumsstrategie muss diese Merkmale berücksichtigen. Fünf dieser Strategien sind besonders hervorzuheben.

Eine passende Strategie für europäische Unternehmen entwerfen

1.

Europa ist eine wirtschaftlich verflochtene Region, die stark von Exportmärkten, Technologie- und Teilimporten sowie natürlichen Ressourcen abhängig ist.

2.

Der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter (20–64 Jahre) an der Gesamtbevölkerung der EU wird voraussichtlich von 59 Prozent im Jahr 2022 auf 50 Prozent im Jahr 2100 sinken.

3.

Energiekosten. Obwohl die Energiepreise wieder das Vorkriegsniveau erreicht haben, sind sie in Europa bis zu fünfmal höher als in Nordamerika.

4.

Politische Autonomie und Harmonisierung. Dafür sorgen eine Reihe von Verordnungen, aber auch die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle 27 Mitgliedstaaten.

5.

Starker Fokus auf Nachhaltigkeit. Im Rahmen des Green Deal will Europa bis 2050 der erste Kontinent werden, der genauso viel CO2 beseitigt, wie er ausstößt.

Drei Schwerpunkte zur Überwindung der Technologielücke

  1. Einen digitalen Kern aufbauen, um ein neues Performanceniveau zu schaffen
  2. Den Vorsprung in der intelligenten Fertigung ausbauen
  3. Den Technologiequotienten (TQ) in den Führungsebenen erhöhen

1. Einen digitalen Kern aufbauen, um ein neues Performanceniveau zu schaffen

Europäische Unternehmen sollten nicht nur bestrebt sein, ihre Geschäftsbereiche zu optimieren, sondern auch zu transformieren. Dabei sind ein digitaler Kern und neue Arbeitsweisen entscheidend, die eine Kultur und die Kompetenz der kontinuierlichen Innovation fördern.

Laut dem unabhängigen Technologieanalysten IDC hinken sowohl Europa als auch der asiatisch-pazifische Raum den USA hinterher. In einigen Bereichen wie Cloud und Big Data sind Europa und APAC auf einem vergleichbaren Niveau. Die Gesamtinvestitionen in Technologie sind niedriger als in den USA, aber die Investitionen in IoT und 3D-Druck liegen gleichauf.

Abbildung: Europas Position bei den IT-Ausgaben (in $, 2023)

Die Grafik zeigt die europäischen Ausgaben für Technologie. In einigen Bereichen wie 3D-Druck und IOT sind sie gleichauf, bei anderen hingegen wie Big Data und KI, Cloud, Sicherheit und ausgereiften Technologien insgesamt niedriger als in den USA.
Die Grafik zeigt die europäischen Ausgaben für Technologie. In einigen Bereichen wie 3D-Druck und IOT sind sie gleichauf, bei anderen hingegen wie Big Data und KI, Cloud, Sicherheit und ausgereiften Technologien insgesamt niedriger als in den USA.

Quelle: IDC Blackbook 3rd platform data, Mai 2023

Europa muss in Technologien investieren, die für seine Schlüsselindustrien besonders wichtig sind, wie KI, 3D-Druck für die Fertigung und IoT für smarte Städte und saubere Energie.

Die Cloud ist ein wichtiger Wegbereiter für künftige Technologien (generative KI, Quantencomputing usw.) und positioniert europäische Unternehmen für künftiges Wachstum.

Es ist bemerkenswert, wie europäische Unternehmen ihre Investitionen in künstliche Intelligenz steigern. KI, vor allem generative KI, hat die Welt im Nu erobert: ChatGPT verzeichnete innerhalb von fünf Tagen eine Million Nutzer. Durch den Einsatz von KI können europäische Unternehmen Innovationen vorantreiben, die operative Leistung verbessern, personalisierte Erlebnisse schaffen und sich einen Wettbewerbsvorsprung in der dynamischen Geschäftswelt sichern.

Unternehmen, die KI jetzt einführen und später skalieren, wenn die Technologie ausgereift ist und einen deutlichen Mehrwert bietet, schaffen eine solide Grundlage. Sie werden besser in der Lage sein, sich neu zu erfinden, wettbewerbsfähig zu bleiben und neue Leistungsniveaus zu erreichen.

98 Prozent der Führungskräfte weltweit sind sich einig, dass KI in den nächsten drei bis fünf Jahren eine zentrale Rolle für die Strategie ihres Unternehmens haben wird.

Europäische Unternehmen sollten einen starken digitalen Kern aufbauen, um von der KI-Revolution zu profitieren und das Wachstum zu fördern. Dazu gehört, die Cloud-Migration zu priorisieren, Daten und Anwendungen strategisch in Cloud-Umgebungen zu verlagern und eine moderne Unternehmensdatenplattform einzurichten. Auf dieser Basis können sie generative KI und andere neu entstehende Technologien einsetzen, während sie Compliance, Sicherheit und Interoperabilität im gesamten Unternehmen sicherstellen.

2. Den Vorsprung der modernen Fertigung ausbauen

Mit einem starken digitalen Kern können europäische Unternehmen ihre Stärken in den Bereichen moderne Fertigung, Lieferkette und betriebliche Effizienz durch Innovationen weiter ausbauen. Europäische Unternehmen sollten bereits heute in die digitalen Geschäftsmodelle von morgen investieren.

Derzeit hinken sie bei langfristigen Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) in aufstrebenden Bereichen und bei der Anmeldung neuer Patente hinter ihren außereuropäischen Branchenkollegen her.

F&E-Investitionen sind für Innovationen unerlässlich. Denn sie erlauben es den Unternehmen, ihre Produkte und Dienstleistungen zu verbessern und wettbewerbsfähig zu bleiben. Patente sind ein wichtiger Indikator für den Grad und die Ausrichtung von Innovationen.

Die F&E-Lücke, die wir in unserer Studie „Accelerating Europe’s path to reinvention“ vom Januar 2023 aufgezeigt haben, hat sich nach unseren neuen Erkenntnissen deutlich vergrößert.

110 Bp

Im Jahr 2021 klaffte bei den F&E-Ausgaben in Prozent des Umsatzes eine Lücke von 110 Basispunkten (Bp) zwischen Europa und Nordamerika.

140 Bp

Im Jahr 2022 vergrößerte sich der Abstand auf 140 Basispunkte.

Europäische Unternehmen investieren deutlich weniger in KI als der Wettbewerb in Nordamerika und APAC. Das spiegelt sich in der Anzahl der Patente wider. Bei der generativen KI ist der Abstand noch größer.

Forschung und Entwicklung in den Naturwissenschaften bieten europäischen Unternehmen viele Chancen. Fortschritte in innovativen digitalen Technologien wie KI haben die Entwicklung der Forschung beschleunigt. Gleichzeitig treiben wissenschaftliche Durchbrüche technologische Verbesserungen voran. Diese symbiotische Interaktion zwischen Wissenschaft und Technologie kann Europas Markenzeichen werden, wenn die Unternehmen richtig investieren und zusammenarbeiten.

Europäische Unternehmen können sich als Vorreiter im Bereich der digitalen Intelligenz positionieren, indem sie in Forschung und Entwicklung, Partnerschaften und neue Geschäftsmodelle investieren. Auf diese Weise verbessern sie die Widerstandsfähigkeit, Produktivität und Nachhaltigkeit ihrer gesamten Geschäftstätigkeit.

3. Den Technologiequotienten (TQ) in Führungsebenen erhöhen

Um das Potenzial neuer Technologien auszuschöpfen und Innovationen voranzutreiben, müssen Unternehmen in Sachen Technologie über die entsprechenden Führungsstrukturen sowie die Denkweise und das Fachwissen verfügen, die erforderlich sind, um kluge Entscheidungen zu treffen und beim Thema „Wertschöpfung aus Technologie“ anzuleiten. Wir nennen diese Fähigkeit „Technologiequotient (TQ)“: ausreichend Wissen, um neue Technologien beurteilen und analysieren zu können und darüberhinaus aussichtsreiche Anwendungsfälle zu entwickeln.

Technologiekompetenz ist nicht nur in den IT-Abteilungen gefragt, sondern im gesamten Unternehmen und in allen Funktionen.

Dies ist ein wichtiger Entwicklungsbereich für die meisten Unternehmen weltweit, aber noch mehr für europäische Unternehmen. Zwar sind europäische Vorstandsmitglieder recht zuversichtlich, dass in der EU ausreichend Technologiekompetenz vorhanden ist. Doch gleichzeitig scheinen in den Vorständen selbst viel seltener technologisch kompetente Personen vertreten zu sein.

Es ist für Unternehmen nicht zwingend notwendig, übermäßig viele Technologieexpert:innen in ihren Vorständen zu haben. Jedoch würde sie eine bessere Qualifikationen der bestehenden Vorstandsmitglieder in die Lage versetzen, potenzielle Risiken und Chancen zu bewerten, die Durchführbarkeit und die Auswirkungen von Technologieinvestitionen zu beurteilen und fundierte Entscheidungen zu treffen, die mit den Gesamtzielen und der Vision des Unternehmens im Einklang stehen.

Europäische Unternehmen sollten der Erhöhung ihrer Technologiequote Priorität einräumen, indem sie die technologische Kompetenz ihrer Vorstandsmitglieder und Führungskräfte durch obligatorische Schulungen verbessern, messbare Lernziele festlegen und die Geschlechtervielfalt fördern, um einen größeren Talentpool für technisches Fachwissen zu erschließen.

Nur 14 Prozent der Vorstandsmitglieder in den größten europäischen Unternehmen verfügen über das Fachwissen, um technologiebasierte Geschäftsstrategien zu leiten (vgl. fast 22 Prozent in Nordamerika).

Schlussfolgerung

Um die Technologielücke in Europa zu schließen, sind gezielte Maßnahmen in mehreren Bereichen erforderlich. Unsere Untersuchung zeigt Fortschritte in Schlüsselbereichen und widerlegt die Annahme, dass die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas abnimmt.

Europäische Unternehmen sollten jedoch neues Wachstum schaffen, indem sie in die unternehmensweite Verbreitung von Technologien investieren, Prozesse und Lieferketten digitalisieren, Innovationen auf der Basis von digitalen Dienstleistungen und Geschäftsmodellen einführen, ihre Datenstrategien überdenken, generative KI einsetzen und den Technologiequotienten ihrer Führungskräfte erhöhen.

Diese Maßnahmen werden dazu beitragen, die Technologielücke zu schließen, Chancen zu nutzen und europäische Unternehmen in Schlüsselindustrien an die Spitze zu bringen.

VON

Jean-Marc Ollagnier

CEO – EMEA

Prof. Dr. Svenja Falk

Managing Director – Research, EMEA

Surya Mukherjee

Head of Technology Research – EMEA