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Blog

Einführung neuer Arbeitsweisen in der Verwaltung

Lesezeit 5 Minuten

Juni 2, 2023

Unsere Erfahrung in der Begleitung erfolgreicher Transformationen im öffentlichen Sektor zeigt, dass die Einführung neuer Arbeitsweisen genauso hoch priorisiert werden muss, wie die Einführung neuer Technologien und Digitalisierung bestehender Prozesse. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und betont im Koalitionsvertrag die Wichtigkeit neuer Arbeitsweisen für eine grundlegende Verwaltungsmodernisierung.1 Was konkret unter neuen Arbeitsweisen verstanden wird, ist von Organisation zu Organisation verschieden und kommt auf die individuellen Transformationsziele an. Insbesondere stehen im Fokus:

  1. Interdisziplinarität und übergreifende Zusammenarbeit,
  2. Nutzendenzentrierung und Agilität sowie
  3. Fehler- und Lernkultur. 

In diesem Beitrag identifizieren und beschreiben wir fünf sich gegenseitig bedingende Erfolgsfaktoren für die erfolgreiche Einführung neuer Arbeitsweisen und berücksichtigen dabei die Besonderheiten des Öffentlichen Sektors mit seinem Streben nach Beständigkeit, Korrektheit und Zuverlässigkeit – und seiner daraus resultierenden Risikoaversion.2 

Erfolgsfaktor 1 – Erwerb relevanter Transformationskompetenzen

Übergeordnetes Ziel beim Erwerb von Transformationskompetenzen ist die Entwicklung hin zu einer lernenden Organisation, in der Mitarbeitende zum eigenverantwortlichen Aufbau von relevantem Wissen befähigt sind. Insbesondere Agilität und Nutzendenzentrierung gehen mit der Einführung neuer Rollen, Prozesse und Methoden einher für die Hard Skills (z.B. Design Thinking und Scrum) sowie Soft Skills (z.B. Kommunikationstechniken) angeeignet werden müssen. Zusätzlich ist ein Grundverständnis für moderne, relevante Technologien notwendig, um aktuelle Trends zu erkennen, zu verstehen und bei Bedarf anzuwenden. Es braucht daher einerseits Freiräume für Mitarbeitende, sich konstant fortzubilden und andererseits braucht es zur Verfügung stehende Lern- und Weiterbildungsangebote. Lernen muss für die Organisation zur Priorität werden und darf nicht neben dem Alltagsgeschäft „on top“ erfolgen.  

Erfolgsfaktor 2 – Führungskräfte als Fürsprechende des Wandels 

Führungskräfte müssen zu Gestaltenden, Multiplikator:innen und Vorbilder des Wandels werden. Nicht selten blockiert die Angst vor Macht- und Einflussverlust bei Führungskräften die eigene Veränderungsbereitschaft. Die höhere Führungsebene hat neben der übergeordneten Vision und Zielbilderstellung auch organisatorische und strukturelle Rahmenbedingungen zu schaffen (z. B. Kooperation von Fach-/IT-Seite, Freistellung von Mitarbeitenden zum Kompetenzerwerb, Einführung neuer Rollen). Die mittlere Führungsebene muss das Zielbild an die weitere Belegschaft überzeugend weitertragen. Als Anreiz für Führungskräfte hat sich die Erfolgsmessung der Implementierung neuer Arbeitsweisen durch Kennzahlen bewährt.3 Dies schafft Verbindlichkeit und treibt den Wandel kontinuierlich voran. Oberste Führungskräfte als Mentor:innen für dedizierte Leuchtturmprojekte zu gewinnen, wirkt katalysierend auf die gesamte Transformation.

Erfolgsfaktor 3 – Erprobung neuer Arbeitsweisen eng orientiert am Arbeitsalltag

Um schnell Erfahrungswerte zu sammeln, sollten neue Arbeitsweisen eng orientiert am Alltagsgeschäft der Mitarbeitenden eingeführt werden. Ein Format hierzu sind „Kultur-Sprints“: Ausgewählte Projekte werden von erfahrenen Innovation-Coaches begleitet, die in der alltäglichen Arbeit mit neuen Arbeitsweisen experimentieren und diese verinnerlichen. Nach Aufbereitung der Erlebnisse werden Erfahrungswerte an andere Teams weitergegeben und Anpassungen vorgenommen, wodurch sich die neuen Arbeitsweisen sukzessive in der Organisation ausbreiten und etablieren.  

Erfolgsfaktor 4 – Begleitendes Veränderungsmanagement 

Um einen ganzheitlichen Blick auf die Transformation zu wahren, hilft ein fest etabliertes Veränderungsmanagement, z.B. in Form eines “Kultur- oder Transformationsbüros”, welches die vielseitigen Aufgaben des Transformationsprogramms zentral orchestriert. Das Veränderungsmanagement stellt sicher, dass die Transformation partizipativ, interdisziplinär und kollaborativ erfolgt. Relevant sind dabei ein transparentes Transformationsvorgehen und eine zielgruppenorientierte Kommunikationsbegleitung. Vom Veränderungsmanagement initiierte, niedrigschwellige Angebote, wie ein Kummerkasten oder Ideenmanagement, lassen Mitarbeitende den Transformationsprozess mitgestalten. 

Erfolgsfaktor 5 – Psychologische Sicherheit 

Es ist unumstritten, dass psychologische Sicherheit als Grundbedingung für Innovation und somit für das erfolgreiche Etablieren neuer Arbeitsweisen gilt.4 Psychologische Sicherheit charakterisiert sich dadurch, dass Mitarbeitende ihre Ideen, Fragen, Bedenken und Fehler frei und ohne Sorge vor Konsequenzen äußern können. Für öffentliche Organisationen mit festen Hierarchien, in denen eine Fehlerkultur von Natur aus nicht stark ausgeprägt ist, stellt der Aufbau einer psychologisch sicheren Arbeitsumgebung besondere Herausforderungen dar. Um das sehr weiche Thema der psychologischen Sicherheit greifbar zu machen und erfolgreich zu steuern, hilft das kontinuierliche Messen von relevanten Kennzahlen. Diese Kennzahlen sind vorab mit den betroffenen Teams zu definieren, da diese stets individuell und nie pauschal festzusetzen sind. Die Wirkung entsprechender Interventionen, wie z. B. die monatliche Durchführung von Teamretrospektiven zur Förderung der Fehlerkultur, kann mithilfe der kontinuierlichen Messung der entsprechenden Kennzahlen im Zeitverlauf gemessen werden.   

Sprechen Sie uns gerne jederzeit an. Wir freuen uns auf einen interessanten Austausch mit Ihnen.  

Die Autoren bedanken sich für die Mitarbeit an diesem Beitrag bei Miguel Angel Gehlhoff Alvarez.

Weitere Information:

Warum das Entdecken der richtigen Talente und neue Arten des Arbeitens der öffentlichen Verwaltung helfen, schlagkräftiger zu werden, erfahren Sie im Beitrag von Corinna Krezer.

Die gemeinsame Studie von der NRW School of Governance, dem RISP und Accenture liefert eine Analyse der Erfahrungen mit Talentaustauschprogrammen. Mehr lesen über Verwaltungstransformation durch Talentaustausch?

Quellen:

1. https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf, abgerufen am 02.11.2022, S. 7f.

2. https://www.accenture.com/de-de/blogs/public-service/vier-hebel-fur-mehr-schlagkraftigkeit, abgerufen am 02.11.2022.

3. Beispielhafte Kennzahlen zur Erfolgsmessung von Innovationsprojekten siehe „Aus Innovationen Werte schaffen“, PAC im Auftrag von Accenture, März 2019, S. 34

4. Edmondson, Amy C. (2002), Managing the risk of learning: Psychological safety in work teams

WRITTEN BY

Jan Lengfeld

Innovation Lead Health and Public Sector DACH-Region