Strategy & Consulting

Den kontinuierlichen Wandel meistern

Derzeit gibt es keine Anzeichen für einen Aufschwung der deutschen Wirtschaft. Die Handlungsfelder im Überblick.

Disruption ist stärker denn je
Mit dem Tempo steigt der Rückstand
Die Ursachen sind bekannt
Neu erfinden statt nur optimieren
Handlungsempfehlungen

Disruption ist stärker denn je

Seit Jahren wächst weltweit die Unsicherheit für Unternehmen. Das zeigt der Accenture Global Disruption Index: Die Kennzahl gibt den Grad der ökonomischen, sozialen, geopolitischen, klimatischen, verbraucherbezogenen und technologischen Disruption an. Im Zeitraum von 2017 bis 2022 stieg er um ~200 % an. Von 2011 bis 2016 lag der Zuwachs bei lediglich 4 %.

Inzwischen ist das Marktumfeld noch komplexer und dynamischer geworden. Die Inflation wird laut aktueller Prognosen in diesem Jahr auf einem hohen Niveau verharren. Zinserhöhungen dämpfen sowohl Nachfrage als auch Investitionen. Im EU-Vergleich steht Deutschland mit einer erwarteten rückläufigen BIP-Entwicklung in 2023 schwach da. Selbst Deutschlands Leitindustrien exportieren inzwischen immer weniger komplexe Industriegüter ins europäische Ausland: Ihr Anteil ist von 17,7 % (2000) auf 15,5 % (2022) zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil chinesischer Exporte immer weiter – von 2,5 % auf 13 % (laut IW-Köln).

Mit dem Tempo steigt der Rückstand

Die Unternehmen befinden sich in einem permanenten Zustand des Wandels in einem noch nie dagewesenen Tempo. Verbraucherverhalten, demographischer Wandel, geopolitische Verschiebungen, Regulatorik und Klimawandel treiben massive strukturelle Veränderungen voran, an denen sich die strategische Ausrichtung der Unternehmen kontinuierlich neu orientieren muss. Die Herausforderungen dürften für die deutsche Wirtschaft angesichts des hiesigen Kostendrucks in Verbindung mit den eingetrübten Wachstumsperspektiven insgesamt zunehmen.

Innovative Technologien können in dieser Situation das entscheidende Mittel sein, um den permanenten Veränderungsdruck zu meistern und neue unternehmerische Chancen zu entwicklen. Sie sind der Schlüssel für zukunftsfähige Geschäftsmodelle, die Krisen standhalten bzw. schnell an neue Erfordernisse adaptiert werden können.

Doch: In Deutschland passiert in dieser Hinsicht zu wenig. Woran liegt das?

Rasanter technischer Fortschritt ist die Chance für neues profitables Wachstum. Bislang wird sie allerdings kaum genutzt.

HERAUSFORDERUNGEN VON HEUTE UND ERFOLG VON MORGEN

Visionäre Leader im Accenture Strategy Talk

PODCAST ANHÖREN

Die Ursachen sind bekannt

Deutschland investiert weniger in innovative Technologien – hängt gegenüber den USA und China zurück. Hiesige Unternehmen forschen und entwickeln in zentralen Gebieten zu wenig – zeigt ein Blick auf die Patentzahlen. Nur 60 % der deutschen Unternehmen hat – Stand 05/2023 – bereits KI-Patente angemeldet (APAC: 89 %, Nordamerika: 77 %). Auf dem Gebiet der generativen KI (GenAI) sind es sogar nur 34 % (APAC: 60 %, Nordamerika: 73 %).
Technologische Fachkompetenz fehlt. Dabei wird diese im Hinblick auf neue Entwicklungen – u. a. in der GenAI – wichtiger denn je. Das Skill-Defizit betrifft auch das Topmanagement. In Deutschland verfügen bspw. nur 16,6 % der Vorstandsmitglieder über die nötigen Fähigkeiten. In Nordamerika sind es 21,6 %.
Die Folge: Die „tech debt“ steigt unaufhörlich. Während andere Volkswirtschaften mit Macht ihren Vorsprung ausbauen, entwickeln sich Investitionen und Kompetenzen in Deutschland nur langsam. Der Rückstand verstärkt den wirtschaftlichen Druck weiter.

Unsere Studien zeigen: Auch widerstandsfähige Unternehmen müssen sich künftig ständig neu erfinden. Das ist die Voraussetzung für Zukunftssicherheit.

Neu erfinden statt nur optimieren

Deutsche Unternehmen müssen in diesen beispiellosen Zeiten auf eine bislang ungewohnte Art und Weise reagieren. Nötig sind jetzt weitreichende, visionäre Konzepte für die Umgestaltung des gesamten Geschäfts: In einer Zeit des schnellen und fortlaufenden Wandels reichen traditionelle, Benchmarking-orientierte und zeitlich abgegrenzte Transformationsprogramme nicht mehr aus. Stattdessen benötigen Unternehmen eine Strategie, die wir unter dem Begriff Total Enterprise Reinvention zusammenfassen.

Statt akut auf einzelne Marktveränderungen zu reagieren, müssen Unternehmen die Fähigkeit entwickeln, sich immer wieder neu zu erfinden. Zentral dabei ist die Bereitschaft, über Jahre oder Jahrzehnte etablierte Vorgehensweisen und Wertschöpfungsketten zu hinterfragen und gegebenenfalls vollständig zu erneuern. Diese Strategie erfordert einen mutigeren Einsatz von Technologie, beginnend mit dem Aufbau eines digitalen Kerns.

Handlungsempfehlungen

Der Aufbau eines starken digitalen Kerns muss oberste Priorität haben. Er umfasst vernetzte Cloud-, Sicherheits-, Plattform-, Daten- und KI-Lösungen, die das Ecosystem prozessseitig einbinden. Der Durchbruch von GenAI wird Impulsgeber für Innovation und Wachstum. Nur Unternehmen, die auf Basis eines modernen digitalen Kerns den Nutzen der GenAI-Modelle systematisch erschließen können, werden im Wettbewerb weiter bestehen.

Cloud-Migration und Re-Plattformierung vorantreiben:On-Premise-Anwendungen sollten möglichst vollständig und zügig in die Cloud verlagert werden. Abhängigkeiten zwischen bestehenden Lösungen sind zu prüfen. Dann folgt die Auswahl geeigneter Cloud-Plattformen und die Entwicklung eines Migrationsplans.
Fundament für KI-Anwendungen legen:Infrastruktur, Betriebsmodell und Governance-Prozesse sind so zu transformieren, dass sie den hohen Anforderungen von Large Language Models gerecht werden. Verantwortungsbewusste KI-Regeln stellen sicher, dass Modelle so konzipiert werden, dass sie Vertrauen schaffen. Ein „Secure by Design“-Ansatz ist erforderlich.

Mit intelligenten Technologien und Prozessen können Unternehmen die Stärken der deutschen Industrie weiter ausbauen. Schwerpunkte können auf der CO2-neutralen, smarten Produktion und transparenten Lieferketten liegen.

Die Produktion neu erfinden:  
Der digitale Zwilling, Augmented/Virtual Reality, vernetzte Cloud-Systeme und KI-Modelle ebnen den Weg zu neuen Fertigungsmethoden. Auch das Absatzmodell sollte auf den Prüfstand gestellt werden: As-a-Service-Modelle erfüllen die Kundenbedürfnisse oft besser als klassische produktbasierte Lösungen und können einen Beitrag zur Erfüllung von Nachhaltigkeitszielen leisten.
Durch Daten und KI effizienter und resilienter werden: 
Mit neuen Analyseverfahren und KI-optimierten Bedarfsprognosen kann die Produktionsplanung transformiert werden. Vorlaufzeiten und Lagerhaltungskosten sinken. Prozesse wie bspw. Bestandsmanagement lassen sich stärker automatisieren. Über cloudbasierte Plattformen ist die Zusammenarbeit mit Dritten möglich. Datenräume bieten eine interessante Option – bspw. im Rahmen des LkSG.

Ein tiefgehendes Verständnis neuer Technologien, technologischer Zusammenhänge und Wertschöpfungspotenziale war lange Zeit nur für eine begrenzte Gruppe von Mitarbeitenden wichtig. Doch jetzt ändern sich die Anforderungen: Alle Mitarbeitenden benötigen ein technologisches Mindset, das Verständnis und das entsprechende Fachwissen, um die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens voranzutreiben.

Mit gutem Beispiel vorangehen:  
Verpflichtende digitale Fortbildungen für die Führungsebene sind wichtig, um auch künftig richtige strategische Entscheidungen zu treffen. Sie sind ein wichtiges Signal an die Belegschaft, dass Technologiekompetenz und eine Kultur des kontinuierlichen Lernens unumgänglich geworden sind.
Kompetenzaufbau messen:  
Transparente und messbare Ziele für alle Mitarbeitenden müssen definiert und Investitionen in interne Weiterbildungsmaßnahmen teils erheblich erhöht werden. Der Ausbau von Diversität und Inklusion führt darüber hinaus langfristig zu einem größeren Talentpool.

Deutsche Unternehmen müssen ihren technologischen Rückstand schnellstens aufholen.

Einschätzung und Ausblick

Unternehmen und ganze Branchen müssen sich in Deutschland neu erfinden. Es wird nicht mehr ausreichen, bestehende operative Prozesse weiter zu optimieren und weiterzuentwickeln.

Die Ausgangslage ist noch gut: Bislang ist die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen weiterhin hoch. Doch unsere Analysen zeigen sehr deutlich: Neues Wachstum erfordert jetzt gezielte Interventionen.

Deutsche Unternehmen müssen jetzt:

in die unternehmensweite Verbreitung innovativer und wertstiftender Technologien investieren,
Arbeitsabläufe und Lieferketten digitalisieren,
Innovationen und Wachstum durch digitale Dienstleistungen und Geschäftsmodelle forcieren,
das Verständnis und den Einsatz generativer KI ausweiten und
die Technologiekompetenz in der Belegschaft ausbauen.

Diese Maßnahmen tragen dazu bei, die deutschen Unternehmen in Schlüsselindustrien (wieder bzw. weiterhin) in Führungsrollen zu positionieren.