Analytics und KI: Intelligenter Umgang mit Zöllen
Februar 15, 2019
Februar 15, 2019
Zu den Auswirkungen von veränderteten Außenhandelsrichtlinien auf die Importeure von Rohstoffen und Komponenten gibt es zahlreiche Studien. Doch wie gehen die Lieferanten dieser Güter, insbesondere die Chemieindustrie, mit neuen Zollbestimmungen um?
Chemieunternehmen liefern Rohstoffe für unzählige Produkte, deren Herstellungsprozess unterbrochen werden muss, wenn einer der Inhaltsstoffe fehlt. Im Jahr 2017 erwirtschaftete die Chemiebranche einen weltweiten Umsatz von fast vier Billionen US-Dollar, davon etwa 19 Prozent im globalen Handel.1 Das macht Chemieproduzenten anfällig für Zölle und gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte. Gleichzeitig können Zölle den Exporteuren von chemischen Produkten neue Möglichkeiten eröffnen, um etwaigen Umsatzverlusten entgegenzuwirken.
Veränderungen in der Außenhandelspolitik haben komplexe Auswirkungen, die sich oft nur schwer identifizieren und steuern lassen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Chemieindustrie besonders anlagenintensiv ist. Der Bau und die Inbetriebnahme einer neuen Fabrik dauern in der Regel bis zu fünf Jahre. Daher ist es oftmals auch nicht möglich, die Produktion zeitnah von einem in ein anderes Land zu verlagern.
Veränderungen in der Außenhandelspolitik haben komplexe Auswirkungen, die sich oft nur schwer identifizieren und steuern lassen.
Die folgende Abbildung veranschaulicht die kurzfristigen Auswirkungen und Folgeerscheinungen von Zöllen auf Acrylsäure, einem zentralen Werkstoff der Branche. Wenn die Vereinigten Staaten Acrylsäure-Importe aus China besteuern, werden lokal hergestellte Produkte möglicherweise preislich attraktiver. Zudem könnten die USA für Importeure aus anderen Ländern interessant werden. Gleichzeitig suchen chinesische Hersteller alternative Absatzmärkte für ihre Acrylsäure, wie etwa Europa oder Japan. Dies führt zunächst zu einem Überangebot und einem verschärften Wettbewerb mit den dort bereits etablierten Lieferanten. Gleichzeitig kann eine Steigerung der Exporte in die USA im europäischen Binnenmarkt und in Japan zu einem Versorgungsengpass führen. Schlussendlich findet eine Neuordnung von Versorgungsquellen und Abnahmemärkten statt.
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Grafiken zur Veranschaulichung der Auswirkung von Zöllen auf Handelsströme nach geografischer Lage.
Neben dem kurzfristigen Ausbalancieren der Handelsströme, kann dies auch mittel- und langfristige Effekte nach sich ziehen. Sollte ein Anbieter aus einem Land, das höhere Einfuhrzölle zahlen muss, seine Preise langfristig anpassen, um so wieder wettbewerbsfähig zu sein? So könnte er gleichzeitig auch in allen anderen von ihm belieferten Märkten wachsen.
Chemiekonzerne sind sich der mit Zöllen verbundenen Risiken und Chancen grundsätzlich bewusst. Unserer Erfahrung nach entscheiden sie jedoch eher aus dem Bauch heraus oder basierend auf Einzelbewertungen, wie sie mit Veränderungen umgehen. Dies kann zu suboptimalen Ergebnissen und im schlimmsten Fall sogar zur Schädigung des eigenen Geschäfts führen.
Doch es gibt eine Alternative: Angesichts der Komplexität der Auswirkungen von Zöllen und der Notwendigkeit, schnell zu reagieren, profitieren Chemiekonzerne von einem systematischen, faktenbasierten Ansatz. Nur so können sie Chancen erkennen und gleichzeitig potenzielle Risiken und Nachteile minimieren. Zwei Schlüsseltechnologien helfen ihnen dabei:
Der effektive Einsatz dieser Tools erfordert ein funktionsübergreifendes Team aus Datenwissenschaftlern und Mitarbeitern aus den Bereichen Marketing, Verkauf, Beschaffung und Supply Chain. Die Bereitstellung eines solchen Teams in einem "Kontrollzentrum", das alle nötigen Fähigkeiten, Ressourcen und Organisationsstrukturen vereint, kann die Leistungsfähigkeit und Produktivität enorm steigern.
So sind Chemiekonzerne in der Lage, das Kaufverhalten und die Preisentwicklung markt- und kundenübergreifend zu beobachten und je nach Bedarf Anpassungen vorzunehmen. Um die daraus resultierenden Maßnahmen dann auch schnell umsetzen zu können, müssen Unternehmen agile Methoden, Prozesse und Strukturen haben.
Zölle sind für exportierende Unternehmen etwas, womit sie sich arrangieren müssen. Veränderungen der Richtlinien können dazu führen, dass es deutlich schwerer - und manchmal sogar unmöglich - wird, Märkte, die es sich über Jahre hinweg erschlossen hat, weiterhin profitabel zu beliefern. Doch Zölle müssen nicht zwingend eine Hürde oder gar Hemmnis für das eigene Geschäft darstellen. Die Einrichtung eines funktionsübergreifenden Kontrollzentrums mit Analytics- und KI-Tools, gepaart mit betrieblicher Agilität, ermöglicht es Chemiekonzernen, die Bedrohung durch Zölle zu neutralisieren, und statt dessen die gebotenen Chancen zu erkennen und bestmöglich zu nutzen. Unternehmen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit auf diese Weise fördern, sichern sich langfristig einen entscheidenden Vorteil.
1 Cefic Facts & Figures of the Chemicals Industry 2018.
2 Accenture, Technology Vision 2018.
3 Accenture Strategy, Tech-Led Change in AI, 2017.