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Spitzenleistungen in einer turbulenten Zeit

5 Minuten Zeit

Januar 12, 2022

Die Veränderungen der letzten Monate haben in der Geschäftswelt ein neues, noch nie da gewesenes Ausmaß erreicht. Energie- und Strompreise haben neue Höchststände erreicht und die Inflation ist sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten von nahezu Null auf ein Niveau gestiegen, das es in den letzten 40 Jahren nicht mehr gegeben hat. Sehr niedrige Zinssätze – in einigen Ländern sogar Negativzinsen – haben zu steilen monatlichen Preiserhöhungen geführt. Und die Nachfrage ist von einem durch die Pandemie ausgelösten Höchststand in einen Rückgang übergegangen, was die Sorge vor einer Rezession schürt. Das Ausmaß des Wandels ist massiv und das Tempo beispiellos. Deshalb ist es für Chemieunternehmen mehr denn je wichtig, neue Wege zu finden, um Schritt zu halten und sich anzupassen.

Auf sinkende Nachfrage und den zunehmenden Druck auf die Rentabilität in der Chemiebranche ist deren gängige Reaktion ein verstärkter Fokus auf Kostensenkungen und Investitionskürzungen. Allerdings ist das in der derzeitigen Situation oft der falsche Weg. Um mit dem Tempo des Wandels Schritt zu halten und die sich daraus ergebenden Chancen zu nutzen, sind Investitionen in neue Fähigkeiten erforderlich. Die derzeitigen Arbeits- und Managementmethoden müssen neu erfunden werden - und zwar drastisch und schnell. Übliche Routinen im Managementbereich wie Preisgestaltung, Bedarfsplanung und Bestandsplanung auf Monatsbasis sind nicht mehr zielführend, wenn Energie- oder Rohstoffpreise innerhalb einer Woche um 20 bis 30 % schwanken.

Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Tätigkeiten im Unternehmen auf die gleiche Weise durch diese Veränderungen in der Geschäftswelt betroffen sind. Einige Routinen sind schnellem Wandel weniger ausgesetzt und weniger entscheidend für den Geschäftserfolg. Andere sind dem sowohl vollkommen ausgesetzt als auch in höchstem Maße erfolgsentscheidend – und Unternehmen müssen diesen Tätigkeiten eine entsprechend hohe Priorität einräumen. (siehe Abbildung 1)

Abbildung 1: Ein anschauliches Beispiel für die Ausrichtung auf Aktivitäten mit großen Auswirkungen/hohem Tempo des Wandels

An illustrative example of targeting high impact/high speed of change activities.
An illustrative example of targeting high impact/high speed of change activities.

Source: Accenture analysis

Um fähig zu sein, sich in dem heutzutage rasch und konstant verändernden Umfeld zurechtzufinden, müssen neue Ansätze in vier Schwerpunktbereichen schnell umgesetzt werden: eine veränderte Denkweise; eine Beschleunigung der Routinen im Managementbereich; die Nutzung interner und externer Echtzeitdaten; Investitionen in Technologien zur Unterstützung automatisierter Arbeitsabläufe und Analytikmethoden.

Eine veränderte Denkweise: Ungewissheit akzeptieren

Chemieunternehmen waren allgemein lange Zeit in einem relativ stabilen Umfeld tätig, in dem es nur zu schrittweisen Veränderungen kam, sodass sie sich bei der Steuerung und Verwaltung des Unternehmens auf mehrjährige Trends und Erfahrungen aus der Vergangenheit verlassen konnten. Das Tempo des Wandels in den letzten Jahren hat jedoch gezeigt, dass Extrapolationen der Vergangenheit keine solide Richtschnur für die Zukunft darstellen. Um die heutige Volatilität und Ungewissheit zu meistern, ist für Chemieunternehmen Folgendes notwendig:

  • Ungewissheit akzeptieren. Die Stabilität der Vor-Covid-Ära oder frühere Trends sollten nicht als Orientierungspunkt für die Planung und Entscheidungsfindung herangezogen werden. Stattdessen sollten "Was-wäre-wenn"-Szenarien durchgespielt werden, um zu verstehen, auf welche Weise Branchen und Kunden betroffen sind, und um proaktiv nach neuen Möglichkeiten in dem neuen, volatilen Geschäftsumfeld zu suchen.
  • Etablierte Überzeugungen und Paradigmen in Frage stellen. Analysemethoden basierend auf soliden Echtzeitdaten sollten eingesetzt werden, um solche Veränderungen im Geschäftsumfeld zu verstehen, die rasch eintreten können. Das ist beispielsweise notwendig, weil viele etablierte Annahmen über die Zahlungsbereitschaft von Kunden durch die Preisniveaus erschüttert wurden, welche durch die jüngsten Rohstoffpreisspitzen erreicht wurden. 

Routinen im Managementbereich: den Zyklus beschleunigen

Viele Aktivitäten in der chemischen Industrie wie z. B. die Planung der Versorgung und des Betriebs, die Erstellung von Preislisten und die Festlegung von Lagerbeständen werden in der Regel in monatlichen oder vierteljährlichen Abständen durchgeführt – ein deutlicher Widerspruch zu einer Welt, in der sich erhebliche Veränderungen wöchentlich oder täglich ergeben können. Unternehmen sollten daher:

  • Managementzyklen verkürzen. Von monatlichen Zyklen sollte zu wöchentlichen oder sogar täglichen Zyklen übergegangen werden, insbesondere bei Aufgaben, die von schnellen Veränderungen betroffen sind wie z. B. Bedarfsplanung, Preisgestaltung sowie Produktions- und Bestandsanpassung. So werden beispielsweise die Preise häufig am Ende eines Monats für den Folgemonat festgelegt. Da plötzliche Änderungen der Material- oder Energiekosten jedoch zur Normalität geworden sind, sind diese Preislisten möglicherweise bereits innerhalb einer Woche veraltet.
  • Prozesse auf einer End-to-End-Basis verwalten. Das könnte bedeuten, dass die Produktpreisgestaltung mit den Echtzeitkosten für Rohstoffe oder Energie verknüpft wird oder dass mehr Transparenz in Bezug auf die Dauer und die Einzelheiten von Produkt- und Rohstoffverträgen geschaffen wird.

Das Ausmaß des Wandels ist gewaltig und er vollzieht sich in einem beispiellosen Tempo. Deshalb ist es für Chemieunternehmen mehr denn je wichtig, neue Wege zu finden, um Schritt zu halten und sich anzupassen.

Daten: Transparenz schaffen

Die Beschleunigung der Managementzyklen ist nur dann effektiv, wenn Managemententscheidungen auf soliden, relevanten Daten beruhen, die genutzt werden, um Einblicke in die Möglichkeiten zu erhalten, Kunden zu erreichen, Rohstoffe besser zu nutzen, Innovationen voranzutreiben und vieles mehr. Allerdings stützen sich Unternehmen bei ihren Entscheidungen zu oft auf Daten aus dem Vormonat oder den Vormonaten, d. h. auf Daten, die im Kontext des schnellen Wandels bereits „veraltet" sind. Um dieses Problem zu lösen, sind Investitionen in neue Fähigkeiten und neue Arbeitsweisen erforderlich. Dazu sollten Unternehmen:

  • Die Zeit zur Erkenntnisgewinnung beschleunigen. Der Übergang zu Echtzeit- oder echtzeitnahen Daten für die Entscheidungsfindung ist entscheidend. Unternehmen, die mit den Daten des Vormonats oder des letzten Quartals arbeiten - auch bei Aktivitäten wie der Produktkalkulation, der Erstellung von Stücklisten oder der Budgetierung von Rohstoff-, Energie- oder Stromkosten -, lassen sich wahrscheinlich Gewinne entgehen, weil sie Chancen verpassen oder falsche Entscheidungen treffen. Dadurch könnte ihnen gegenüber Wettbewerbern, die mit aktuellen Daten arbeiten, ein Nachteil entstehen.
  • Mehr externe Daten nutzen, um die Sichtbarkeit zu verbessern. Unternehmen könnten davon profitieren, dass sie durch eine breitere, multilaterale Sicht auf Kunden, die Wertschöpfungskette und die Dynamik der Lieferkette wissen, was vor sich geht.

Technologie: in digitale Transformation investieren

Praktiken wie die manuelle Datengewinnung, die Durchführung von Analysen in Tabellenkalkulationen oder die Arbeit mit vorwiegend internen Daten sind in vielen Chemieunternehmen nach wie vor üblich. Was jedoch ein Hindernis darstellt, wenn es darum geht, mit dem Wandel Schritt zu halten. Es dauert in der Praxis oft mehrere Tage, bis Preisentscheidungen in der Organisation kommuniziert und bei den Kunden umgesetzt werden. Die Anpassung von Altsystemen, um eine stärkere Automatisierung und neue Funktionen zu ermöglichen, ist in der Regel ein langsamer und teurer Prozess. Stattdessen sollten Investitionen in neue Technologien getätigt werden. Unternehmen sollten:

  • Digitalisierungsprogramme beschleunigen. Dies gilt insbesondere für gezielte Software-as-a-Service (SaaS)-Lösungen für Bereiche wie Preisgestaltung und Nachfrage oder Bestandsplanung sowie für Migrationen zu einem neuen digitalen Kern und die Nutzung der Cloud, um Daten zusammenzuführen, in den Kontext zu setzen und die Erkenntnisgewinnung zu automatisieren.
  • Über manuelle Workarounds und Tabellenkalkulationen hinausgehen. Das bedeutet, dass automatisierte, zukunftsfähige Plattformen implementiert werden müssen, die ein End-to-End-Management des Unternehmens ermöglichen und den Entscheidungsfindungsprozess verbessern. Dazu gehört auch der Einsatz einer gezielteren, robotergestützten Prozessautomatisierung und intelligenter Datendrehscheiben, um die Zeit bis zur Erkenntnisgewinnung zu verkürzen.

Das Ausmaß und das Tempo des Wandels, der sich in der Geschäftswelt vollzieht, können bei Chemieunternehmen leicht pessimistische Zukunftsaussichten aufkommen lassen - vor allem, wenn sie in die alten Muster verfallen, wie sich zu verstecken und Investitionen zu kürzen. Aus unserer Sicht ist jetzt ein Paradigmenwechsel notwendig, um erfolgreich zu sein. Um diesen Wechsel zu vollziehen, sind gezielte Investitionen in neue Fähigkeiten und Weiterbildungen erforderlich, die Unternehmen agile Managementzyklen, Erkenntnisse in Echtzeit sowie die Automatisierung von Arbeitsabläufen ermöglichen, um neue Geschäftsmöglichkeiten aufzutun und sich in einer turbulenten Zeit zu behaupten.

AUTOR

Dr. Bernd Elser

Senior Managing Director – Global Lead for Chemicals and Natural Resources